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25.04.2024

Das Aktuelle Medieninterview – Iran – noch Chancen für Menschenrechte?

01.01.2024
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Frau Dr. Eskandari-Grünberg, Bürgermeisterin von Frankfurt © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Katharina Dubno
PreMedia: 
Frau Dr. Eskandari-Grünberg, Sie haben bei der jüngsten Sitzung bei der IGFM in Frankfurt sehr eindrücklich über Ihre persönlichen Erfahrungen in iranischen Gefängnissen für Frauen berichtet. Wollen Sie einen kurzen Einblick darüber geben?

Dr. Eskandari-Grünberg: 
Damals wurden alle Frauen von dem einen Tag auf den anderen entrechtet. Die Selbstbestimmung wurde uns weggenommen. Als junge Frau war ich damals sehr hoffnungsvoll. Mit dieser Hoffnung bin ich protestieren gegangen. Und wenn ich heute all die jungen Menschen im Iran auf der Straße sehe, macht mich das ganz stolz. Aber zu wissen, dass diese mutigen Menschen in den Gefängnissen sitzen, so wie ich einst im Evin-Gefängnis,  ist sehr emotional für mich. Die Räume dort sind sehr beengend und wir hatten nur 1-2 Toiletten im Flur. Damals waren wir 70 junge Frauen im Gefängnis. Das Durchschnittsalter lag bei 18 Jahren. In diesem Gefängnis brachte ich meine Tochter damals auf die Welt. 

PreMedia: 
Schon wieder stehen 2 politisch engagierte junge Menschen nach Todesurteil vor der Hinrichtung, also ohne Schuld vor der Ermordung durch ein muslimisches Terror-Regime. Mohammad Faramarzi und Bayan Azimi.  
Was kann für diese jungen Männer aus Deutschland heraus getan werden, um Sie freizubekommen?

Dr. Eskandari-Grünberg:  
Die Ehemänner von Bayan Azimi und Maria Mahmoud, Pejman Fatehi und Mohammad Faramarzi konnten nicht gerettet werden und das erfüllt mich mit einer unendlichen Trauer. Der vierjährige Sohn von Frau Azimi muss ohne seinen Papa aufwachsen. Schon wieder wurden wir Zeugen der brutalen Menschenverbrechen des iranischen Regimes. Können Sie sich vorstellen, dass das Regime den vier Familien nicht einmal die Leichen ihrer Liebsten rausgegeben hat? Stattdessen wurden sie irgendwo an einem unbekannten Ort begraben. Eines Tages wird Frau Azimis Sohn, der ja vor 2 Jahren mit seiner Mutter nach Deutschland geflohen ist, Fragen stellen und vieles begreifen. Und dann wird er vor allem eins feststellen: Das Schweigen und die Tatenlosigkeit unserer Bundesregierung. Das wird Narben hinterlassen. Es kann einiges getan werden. Wir müssen endlich aufhören zu Schweigen. Hören wir den Menschen im Iran zu und setzen wir ihre Forderungen endlich durch. Dazu gehört es, die diplomatischen Beziehungen mit dem Regime zu beenden, die Revolutionsgarde auf die Terrorliste zu setzen und die Abschiebungen in den Iran zu stoppen. Es muss endlich eingesehen werden, dass es mit dem iranischen Regime keinen Frieden geben wird.

PreMedia: 
Nochmals nachgefragt, was haben wir zu wenig getan, um diese mutigen Frauen und Männer im Iran zu begleiten? Veränderungen für eine freie iranische Gesellschaft, auch ohne die Ächtung von Frauen, die eine so mutige Revolution der Frauen gestaltet haben, schrittweise zu begleiten?

Dr. Eskandari-Grünberg: 
In der Iranpolitik der letzten Jahrzehnte wurde vieles versäumt. Man hat versucht, an einem Atomabkommen festzuhalten, dass von Beginn an zum Scheitern verurteilt war. Man hat gedacht, man könne mit dem Regime so umgehen, wie mit einem demokratischen Land. Aber wir müssen endlich begreifen, dass es keine Normalität geben kann, solange dieses Regime an der Macht ist. 

PreMedia: 
Was können die deutschen und englischen Medien dafür tun?

Dr. Eskandari-Grünberg: 
Hinhören. Hinhören, was die Menschen im Iran zu sagen haben. Hinhören, wenn Leute wie Frau Azimi und Mahmoud um Unterstützung bitten. Wir können nicht länger zusehen. Wir müssen alle aktiv werden. Hinzu kommt, dass das Regime Propaganda betreibt. Ich erwarte von der Medienlandschaft in demokratischen Ländern, dass sie diese Propaganda entlarven, dass sie die Stimme der Unterdrückten nach außen tragen und nicht die Lügen eines menschenverachtenden Regimes.

PreMedia: 
Frau Dr. Eskandari-Grünberg, ich danke Ihnen sehr für Ihre aufrüttelnde, sehr wertvolle Einschätzung.

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